Lorch

Das Notgeld der Stadt Lorch am Rhein

Aus der Not eine Tugend machen. Diesen weisen Rat beherzigte im Rheingau am pfiffigsten die Stadt Lorch in den Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Sie druckte Notgeld und füllt damit nicht nur die Stadtkasse auf, sondern warb gleichzeitig auf geschickte Weise für die kleine Stadt an der Wisper.

Wer die Serienscheine für den Rheingaukreis und die Stadt Lorch entworfen hat, ist nicht bekannt. Ganz so prominente Künstler wie anderswo sind aber mit Sicherheit nicht am Werk gewesen. Dennoch zeichnen sich speziell die Lorcher, durch ihre Originalität aus.

Die erste Ausgabe datiert vom 20. August 1920 mit Werten von 10 und 25 Pfennig. Den 10- und 25-Pfennig-Schein ziert der Spruch:

„Hätt Adam Lorcher Wein besessen, hätt er den Apfel nicht gegessen. Es hätte dieser Rebensaft gen Evas List ihn taub gemacht“.

Der 50-Pfennig-Wert huldigt dem Wein: „Beim Lorcher Wein, da klingt der Becher und Lorcher Wein ist Sorgenbrecher“.

Den ganz großen Wurf aber landeten die Lorcher mit ihrer zweiten Ausgabe vom 15. Juni 1921. Speziell der Schein zu 50 Pfennig, gedruckt bei Gebr. Parcus in München, wurde zu einem Zeitdokument besonderer Art. Er zeigt auf der Vorderseite den berühmten Blick vom Nollig auf die Stadt und den Rhein, die Rückseite existiert in zwei verschiedenen Varianten. In der einen wird der berühmte Felssturz mit der Inschrift: „Als der Franzmann zog zum Rhein, fiel vom Nollig viel Gestein“ beschrieben.

25 Pf Vorderseite 15.06.1921 © Molitor

25 Pf Rückseite 15.06.1921 © Molitor

50 Pf Rückseite 15.06.1921 © Molitor

50 Pf Vorderseite 15.06.1921 © Molitor

Die andere, noch berühmtere, schildert Zeitgeschichte. Weil nach der Rheinlandbesetzung von Mainz und Koblenz her Brückenköpfe der Alliierten durch Zirkelschlag ohne Rücksicht auf geografische Besonderheiten geschaffen wurden, entstand im Raum Lorch und Kaub eine flaschenhalsförmige ausgesparte unbesetzte Zone, der sich stolz „Freistaat Flaschenhals“ nannte. Mit einer grafischen Darstellung dieses Kuriosums und der Inschrift: „Nirgends ist es schöner als in dem Freistaat Flaschenhals“ schmückten die Lorcher diesen Serienschein, der bei Sammlern besonders beliebt ist.

50 Pf Vorderseite 15.06.1921 © Molitor

© Klaus-Peter Dietel

Als die Inflation einsetzte wurden von der Stadt Lorch weitere Scheine mit hohen Nominalen aufgelegt.

Am 14. August wurden zwei Scheine zu 20.000 Mark 50.000 Mark mit gemeinsamer Gestaltung der Rückseite ausgegeben. Gedruckt wurden sie von der Buchdruckerei Heinrich Holz, Lorch am Rhein. Die Rückseite zeigt den Blick von der Höhe auf Lorch, den Rhein mit der Insel. Dazu der Spruch:

"Mich deckt ein gold'nes Unterpfand,
die Reben an des Rheines Strand"

Am 29. August 1923 folgte ein Schein über 1 Million Mark.

Auf der Rückseite ist zentral das Wappen von Lorch zwischen zwei Zierfeldern dargestellt. Dazu der Spruch:

"Laß' die Winde Stürmen auf der Lebensbahn
Ob die Wogen türmen gegen deinen Kahn
fahre ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht
Gott ist dein Begleiter, er vergißt dich nicht"

Am 20. Oktober 1923 gab die Stadt Lorch noch einen Gutschein über 1 Milliarde Mark heraus. Die Aufschrift lautete:

"Da wir für die letzte Lohnzahlung nur 50 Milliardenscheine erhalten haben, werden diese Geldscheine gegen 50-Milliardenscheine sofort umgetauscht".

Demnach muss es von der Verwaltung des Rheingaukreises in Rüdesheim auch einen 50 Milliardenschein gegeben haben

Bereits 6 Tage später war der 1 Mrd Schein schon durch die galoppierende Inflation überholt. Die Stadt ließ am 26.10.1923 10 Milliardenscheine drucken, die laut Aufdruck ebenfalls bei der Spar- und Darlehnskasse sofort in 50 Mrd. Scheine umzutauschen waren. Die Gültigkeit der Scheine war bis 25. Dezember 1923 begrenzt. Tatsächlich endete die Inflation bereits mit Einführung der Rentenmark im November 1923.

© Heinz-Dieter Molitor